Es ist geschafft: Mit Sackkarre, Notenpultbeleuchtung und Autobatterie ist mein Roland FP5 für den Outdoor-Einsatz mobil gemacht. Damit kann ich ab dieser Saison wieder das praktizieren, was ich schon mit der Posaune in Sommerzeiten so gerne gemacht habe: Im Freien üben.
Roland am Nussbaum. Foto: Bernd Reiher/2014
Einmal hatte ich damit einen weiteren Connewitzer Polizeieinsatz ausgelöst: Beamte waren gerufen worden, um mich vom Rand eines Bahndammes zu holen – ein vorbeifahrender Lokführer hatte wohl Angst, ich würde mir dort ein letztes Liedlein geigen wollen, bevor ich mich vor den nächsten Zug werfe.
Eine nette aber fast vergessene Episode, die zeigt, dass es Manches zu erleben gibt, wenn man mit seinem Instrumentarium in die Echtwelt reist. Daran jetzt mit dem Stromklavier anknüpfen zu können, macht richtig hippelig. Die Frage, wann ich einen Verstärker brauche, weil die Einbaulautsprecher nicht reichen, wird sicher eine der nächsten sein. Bis sie akut, wird auf kleiner Flamme gekocht und auf gute Akustik gebaut. Zum Beispiel werktags im kleinen Musik-Pavillon links des Leipziger Elsterflutbettes nahe der Sachsenbrücke – schließlich ist der für Musikdarbietungen der eher akustischen Art extra gebaut.
Logbuch-Eintrag, 19. Februar 2013: Satie, Ostsee, Gnossienne, Netz-Demo
Anfang Februar hat der Deutschlandfunk mir eine längst vergessene Reise an die Ostsee zurück in die Birne geholt: Es war ein Trip gen Rügen, Ostern 1991, für den die damals Angebetete eine Kassette mit Klaviermusik eingepackt hatte. Als „kleine geniale Klavierstücke“ hatte sie das bezeichnet, was sie uns in diesen Frühlingstagen immer wieder ins Autoradio schob.
Da meine Sinne damals anderweitig vernebelt, war meine Aufmerksamkeit nur von halber Natur. Als der Kölner Sender mir im Winter 2013 aber dieselben Klänge noch einmal in die Gehörgänge schob, durfte ich zwanzig Jahre nach diesem Auflug feststellen, wie recht diese Frau damals schon hatte: Tastenminiaturen – kurz und gut. Worum es geht? Klaviermusik von Erik Satie.
Direkte Folge dieses Wiederentdeckungs-Erlebnisses im Radio: Ein Such-Auftrag für Freund Google – Kennwort: „Satie Klavier“. Er lotste mich auf die Seiten des „International Music Score Library Project“, kurz imslp.org, und machte mich dabei gleich doppelt glücklich. Hier fand ich nicht nur Musik vom vormodernen Franzosen, sondern endlich auch jene Art von Netzobjekt, nach dem ich schon so lange suchte: eine Musikbibliothek für gemeinfreie Musik. Warum? Weil ich Netz-Demos brauche, meine Filmmusik wegen Lizenzfragen dafür aber nicht nutzen kann.
Bei Satie hingegen ist die Lage der Dinge ziemlich klar: Musik ist gemeinfrei, wenn der Komponist vor mehr als siebzig Jahren gegangen ist. Erik hat die hiesige Bühne zwar bereits am 1. Juli 1925 in Paris verlassen, uns aber trotzdem einige Saitenspiele da gelassen, die durchaus schon als moderne Filmmusik durchgehen könnten. Hier „Gnossienne“ Nummer eins – aufgenommen diesmal nicht mit dem Roland FP5, sondern einem „Zoom H2“-Mikrofon hängend in einem Röhnisch-Klavier.
Logbuch-Eintrag, 4. Februar 2013: Bach, Pfannen, Liste, 999 grob
Im Sommer 2012 habe ich einige Dinge erledigt, die schon seit Jugendtagen auf meiner Liste standen: a) einen Birnbaum im Havelland pflanzen und b) einmal quer durch die Werder´sche Havel schwimmen. Im Januar 2013 haben sich meine Hände aber noch einen ganz anderen Bach erkrault: BWV 999, Präludium C-Moll – es läuft. Damit hat auch ein weiterer Punkt auf meinem Erledigungszettel sein Häkchen bekommen. Stichwort: „Einen Bach muss ein Leipziger Musikant mindestens auf der Pfanne haben.“
Natürlich ist die Nummer von gut und böse noch weit entfernt und klar gibt es links und rechts noch ein paar Ausreißer, die sich hervortun wollen. Aber: Auch sie werden mit der Zeit noch eingefangen.
Jetzt ist erst einmal geklärt, was geklärt werden musste – BWV 999 rollt, das Grundgerüst steht: Wenn´s schon nicht mit der Posaune klappen sollte, hat Musikant Bernd R. seinen eigenen Bach eben auf der Klaviatur in die Pfanne gelotst – und damit gleichzeitig noch die Sache mit dem lange fälligen ersten Netz-Demo gelöst.
Damit ist auch wieder Zeit für andere Taten in der Reiher´schen Klavierabteilung: Bilder machen, Leuten vorspielen, Klavier-Angel auswerfen und musikplanerisch gucken, was im Sommer Schönes gehen könnte.
Nein, das Klavier-Logbuch ist nicht im Sterben begriffen, auch wenn ganze zwei Wochen kein Blog-Eintrag kam. Auch hat meine Neumusikantenlaufbahn keinen empfindlichen Dämpfer erhalten. Etwas anderes ist geschehen – die Klavierlehrerin hat Wunderbares vollbracht: Sie hat mir Bach auf´s Notenpult gelegt und damit tatsächlich geschafft, dass Bernd Reiher, der mit der Posaune nie wieder Klassik spielen wollte, sich mit alter Musik am Klavier die Finger wund übt.
Reiher´s Hände an Bach´s C-Moll-BWV-999-Präludium haben dabei noch eine zweite Triebkraft: Musik dieses Jahrganges ist gemeinfrei – sprich: ohne rechtliches Magengrummeln auch im Netz als Demo geeignet, wenn man es selber einspielt.
Bis es komplett ruckelfrei läuft und nach Musik klingt, ohne dass bei der Aufnahme geschnitten werden muss, gehen sicher noch zwei Üb-Wochen ins Land. Dann aber ist ein nächster Schritt geschafft: Ein Klavier-Demo, das bedenkenlos auch für den mittlerweile wichtigsten aller musikantischen Kommunikations-Kanäle geeignet ist. Hier ein erster Üb-Schnipsel vom 27. Januar 2013.
Logbuch-Eintrag, 10. Januar 2013: Bernd Reiher hatte eine Klavier-Stunde. Außerdem hat er seine Altersheim-Pläne über Bord geworfen, aber neue für den Sommer 2013. Und: Er hat neue Stücke auf dem Zettel.
Am 2. Januar hatte ich zum ersten Mal wieder Instrumentalunterricht – 15 Jahre nach meiner letzten Posaunenstunde beim „größten Posaunisten der Welt“ und 20 Jahre nach der letzten Hochschul-Klavier-Lektion bei Frau Ross. Ich war aufgeregt – immerhin war es auch das erste Mal, dass ich mich mit meiner selbst einstudierten Klaviermusik den kritischen Ohren eines staatlich geprüften Pianisten anvertraute.
Und? Aus der vereinbarten ersten gemeinsamen halben Stunde waren am Ende satte 70 Minuten geworden. Dabei haben wir uns grob mit zwei Stücken von Ludovico Einaudi beschäftigt – „Nuvole Bianche“ und „Password“. Zwischenstand: Nebenstimmen nicht zu stark – Stimmführung beachten. Vorsicht mit dem Pedal. Ansonsten aber: Nur Mut – weiter so. Nächster Unterricht: Ende Januar.
Der musikalische Ausgangspunkt: Ehemalige Außenstelle der Musikschule „Ottmar Gerster“, Liebertwolkwitz. Von hier ging es mit der Posaune an die Hochschule und von dort zum Theater. In diesen Räumen 1985 aber auch ersten Klavierunterricht. Foto: br
Weitere Klavier-Notizen vom Jahresbeginn: Der Sommer 2013 ist im Anmarsch – zumindest im Künstlerkalender. Jetzt, da ich mich mit meinem Filmmusikprogramm mehr und mehr nach draußen wage, heißt es also auch im Januar wieder bei mir: Planung machen. Wo würde ich spielen wollen? Würde man mich da hören wollen? Wo passen Arsch und Eimer am besten zusammen? Und: Gibt es da überhaupt ein Klavier?
Da ich möglichst viele Nächte auch meines 42. Sommers in Brandenburg verbringen will, ist das Zielgebiet schon ziemlich klar definiert: Die meisten der in diesen halbkalten Tagen laufenden Vorgespräche beginnen also mit der Vorwahl (033…).
Vorletzte Klavier-Meldung vom Jahresanfang: Die schräge Idee mit der Klaviermusik im Altersheim habe ich in die ewigen Jagdgründe geschickt – allerdings nur, weil ich zu oft auf mangelndes Interesse in den Verwaltungen gestoßen bin. Entweder hätte ich meine eigene Technik mitbringen müssen, um mich „präsentieren“ zu dürfen. Oder ich habe schon beim Erstkontakt solche Sätze wie „Klaviermusik ist hier zu laut“ oder „Das wollen unsere Leute nicht“ gehört. Okay, wenn das die Basis ist, dann muss auch ich nicht mehr wollen.
Letzte Jahresauftakt-Notiz: Die Titelliste hat Zuwachs bekommen. Auf dem Programmzettel sind jetzt neu Einaudi´s „Berlin Song“ und Sidney Bechet´s „Petite Fleur“ zu finden. Hinter Ersterem verbirgt sich übrigens ein nahezu himmlisches Stück Musik – natürlich auch, wenn der Meister selbst es spielt.
Logbucheintrag, 30. Dezember 2012: Posaunist a.D. Bernd Reiher hat mit seiner Klaviermusik eine Demo-CD fabriziert und steht jetzt vor der Frage: Für wen?
Im Oktober kam mit „Cinema Paradiso“ das zunächst letzte neue Stück Filmmusik dazu – 45 Minuten Repertoire sind für´s Erste genug – seitdem stehen für „Musica Obscura“ vor allem Durchlaufproben auf dem Plan. Heißt: Nachdem die einzelnen Stücke technisch und auswendig gut von der Hand gehen, wird jetzt vor allem am reibungslosen Ablauf der gesamten Musikfolge gefeilt.
Täglich mindestens drei Komplettdurchgänge, so die Zielstellung. Training des „Auf den Punkt“-Spielens – selbst wenn dafür die Nachtstunden nach der Spülerei genutzt werden müssen oder morgens vor der Haushälterei der Wecker eher zu klingeln hat.
„River Flows In You“, „Eternally“, „Nuvole Bianche“: Die erste Version einer Demo-CD liegt auf dem Tisch. Nächste Frage: Für wen? Foto: Bernd Reiher
Acht Wochen dieses Üb-Schemas haben bis kurz vor Weihnachten zu einem spürbaren Fortschritt geführt – das komplette Paket ist jetzt quasi auf Knopfdruck abrufbar. Weil bei diesem Probenmarathon stets aber auch die Bandmaschine mitlief, hat sich auf deren Speicherkarte manche Sequenz eingemeißelt, die durchaus schon in die Rubrik „vorzeigbar“ einzustufen ist. Alle zusammen wanderten in einen Ordner – er wurde zum Grundgerüst für eine Demo-CD.
Dieses Material wurde über die Feierage gesichtet und die Prachtstücke bearbeitet, beschnitten und gemastert. Das Ergebnis: Zwei Versionen einer musikalischen Visitenkarte. Einmal als sendefertiges Digitalpaket mit getagten 320-k/bit-MP3s und PDF-Künstlerinfo. Und zum anderen als Audio-CD im ökologisch vertretbareren Papp-Cover.
Mit beiden Tonträgern liegen jetzt die Fahrscheine für die nächste Etappe des Wiedereintritts in die Musikantenlaufbahn auf dem Tisch. Zielgebiet diesmal: Kontaktknüpferei. Allerdings tauchen damit neue Fragen auf.
Zum Beispiel: Für wen will ich eigentlich spielen? Hochzeiten fallen genauso aus, wie Beerdigungen, Kindergeburtstage, Autohaus-Auftritte oder sonstige Firmenevents ganz bestimmt nicht wieder in die Muggen-Tüte kommen. Wenn ich am Ende also sowieso nur in Kneipen, Restaurants, Hotels und Kinos spielen will – wie komme ich mit meinen Demos dort an die richtigen Leute?